Sind ein Großteil der OP´s am Rücken wirklich unnötig? (Dr. Ralf Hempelmann)

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Dr. Ralf Hempelmann:

Zunächst einmal vielen Dank für die Frage. Erst mal eines, es steht uns nicht zu dieses hier klar zu beantworten, geschweige denn im Namen anderer Kollegen zu beantworten. Wir werden das auch in kurzer Zeit nicht lösen können. Denn es gibt wie überall immer so ne und solche Ärzte und es mag durchaus sein, dass Wirbelsäulenoperationen durchgeführt worden sind, die nicht hätten durchgeführt werden müssen. Jeder von uns erlebt solche Patienten, die so etwas hinter sich haben. Im Augenblick geht das vielleicht nicht ganz aber bei einigen Patienten ins andere Extrem. Ich lerne immer wieder Patienten kennen, bei denen ich mich wundere, warum die nicht schon seit einem Jahr operiert worden sind. Sie leiden an großen Bandscheibenvorfällen, von denen sie sich einfach nicht erholen, weil die groß sind und gegen die Nervenwurzel drücken oder sogar schlimmer, bei einer zervikalen Myelopathie über eine Rückenmarkkompression der Halswirbelsäule, durch Wirbelkanaleinengung bleiben Patienten unbehandelt, weil sie Angst bekommen haben und sich von einem Arzt beraten zu lassen. Sie suchen keine Zweitmeinung auf und auch keine 5., 6. , 7.-Meinung auf.

Das ist jetzt die andere Sorge, die ich habe. Die Diskussion ist nicht wirklich sachlich geführt worden. Darunter leiden wir mit unseren Patienten mit, wir Neurochirurgen, Orthopäden, die Wirbelsäulenchirurgien durchführen. Das momentan viele Patienten Angst bekommen haben, weil sie keinem Arzt mehr trauen. Trauen sollte man Ärzten, es ist eine Gefühlssache, man bekommt recht schnell mit, ob ein Arzt einen gründlich untersucht und ob man ihm trauen kann oder nicht.

Das ist das eine, was meine Sorge ist und das andere, sind die sogenannten Stigmatisierungen von Patienten. Patienten haben wegen Rückenschmerzen irgendwann ihr MRT-Bild und kommen mit diesen Bildern zum Arzt und es ist alles mögliche auf den Bildern beschrieben worden. Bei einem 70 jährigen Mann, der deutliche degenerative, also Verschleißveränderungen der Wirbelsäule hat und Angst über seine Wirbelsäule bekommen hat, weil dieser den Text selber liest, da steht alles mögliche schlimme drin oder weil sogar irgendjemand ihm gesagt hat, wenn ich das alles lese, deine Wirbelsäule sieht ja furchtbar aus.

Wenn ich diese Patienten dann frage, was ihr Problem ist, dann möchte ich gerne wissen, wo schmerzt es und als Antwort bekomme ich dann:“ Ja, meine Wirbelsäule ist ein einziges Frack!“ Solche Worte bekomme ich wirklich häufiger zu hören. Und dann muss man die Patienten erst mal beruhigen und sie erst mal beruhigen. Sie sind ja auch 70, wenn ich mir ihr Gesicht angucke, kann ich auch alles mögliche beschreiben. Jede Falte, jeden Altersfleck kann ich beschreiben und wenn ich das dann am Ende lese kann ich einen riesen Schreck über das, was da alles in meinem Gesicht ist, bekommen aber in Wirklichkeit ist es nur ein schönes 70 jähriges, faltiges Gesicht.

Und so ist es mit der Wirbelsäule auch. Der Vergleich hinkt etwas jedoch glaube ich, dass dieser ganz gut ist. Meine Patienten verstehen diesen jedoch sehr gut. Letztlich muss man jetzt herausfinden, was denn nun wirklich weh tut und muss man diese Wirbelsäule nun wirklich operieren. Und in ganz vielen Fällen kann man Patienten beruhigen und sagen, dass ihre Wirbelsäule eine ganz normale 70jährige Wirbelsäule ist und wenn sie eine gute Krankengymnastik pflegen und in Bewegung bleiben und Sport, wie das Nordic Walking machen oder regelmäßig Spazieren gehen, dann wird es ihnen gut gehen. Dann sind Patienten häufig glücklich und gehen auch so nach Hause und ich sehe sie dann auch nicht mehr wieder und hoffe nicht, dass sie sich noch eine 8. Meinung eingezogen haben. Zu einem guten Arzt, und dazu gehören die meisten in Deutschland und da muss man sich nicht unnötig ängstigen, gehört einerseits die Schmerzen nehmen und andererseits die Angst nehmen. Und wenn ich die Angst genommen habe, habe ich schon 50% der Schmerzen genommen.

Da kommt dann wieder die Seele ins Spiel, das Stigmatisieren, die Depressionen, das Katastrophisieren, das kommt häufig nicht nur von Patienten, da können auch Ärzte ordentlich ihren Teil beitragen und da haben wir entgegen zu wirken. Und dann haben die Patienten häufig eine sehr gute Chance wieder glücklich zu werden. Eine Operation muss man dann machen, wenn man operieren kann und nichts anderes mehr geht. Ich habe Beispiele erwähnt, der Bandscheibenfall, der zu Lähmungen führt und sogar zum Stören beim Wasserlassen und Stuhlgang führt, der Schmerzen klar erklärt und der konservativ einfach nicht geheilt werden kann; die Wirbelkanalstenose, die durch konservative Therapie nicht geheilt werden kann, nicht zu lange warten, eine Operation wirkt besser als eine konservative Therapie.